„In der Bewegung unserer Augen liegt die Kraft zur Heilung“ – Dr. Francine Shapiro
„Sie war nach Paris gefahren mit ihrer Freundin. Die Stadt der Sehnsucht sehen, shoppen auf dem Champs Élysées, Kaffeetrinken im Jardin des Tuileries, an der Seine bummeln – wie sehr hatte sie sich auf diese Urlaubstage gefreut.
Auf den Eiffelturm steigen und Paris von oben betrachten, das war schon lange ihr Wunsch. So gingen ihre Freundin und sie dorthin und beschlossen, den Turm per Treppe zu ersteigen. Doch schon nach wenigen Schritten wich die Freude auf die Aussicht einer ungewissen Beklemmung – die Stufen waren sehr eng und durch den Zwischenraum zwischen den Stufen konnte man hindurchsehen.
Dieses Gefühl, daß sie ins Bodenlose fallen könnte, in die Tiefe gezogen zu werden, erzeugt in ihr eine Angst und nachdem sie endlich zitternd das nächste Stockwerk erreicht hatte, wollte sie nur noch zurück und Boden unter ihren Füßen haben. Nach vielen Jahren – dieser Vorfall war fast vergessen, erlebte sie wieder eine ähnliche Situation und die Angst kam unvermittelt zurück.
Über ihren Hausarzt kommt sie an einen Psychotherapeuten, der EMDR anwendet. Durch die Behandlung in nur einer EMDR Sitzung hat sie ihr Erlebnis auf dem Eiffelturm und den damit verbundenen Angst, ins Bodenlose zu stürzen, positiv verarbeitet.“
Dr. Francine Shapiro
EMDR steht für Eye Movement Desensitization and Reprocessing, was auf Deutsch „Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung“ bedeutet.
Die Entwicklerin des EMDR, Francine Shapiro, Ph.D., ist klinische Psychologin und außerordentliches Forschungsmitglied des Mental Research Institute (MRI) in Palo Alto (Kalifornien). Sie entdeckte 1987 den entlastenden Effekt von Augenbewegungen, den sie in einer ersten Studie untersuchte und 1989 (im damals neu gegründeten Journal of Traumatic Stress) veröffentlichte.
EMDR ist international als eine der effektivsten Methoden von allen wichtigen wissenschaftlichen Leitlinien anerkannt (AWMF, 1999-2009; NICE, 2005 u. a.).
2006 wurde EMDR auch vom deutschen wissenschaftlichen Beirat für Psychotherapie als effektive, wissenschaftlich begründete Psychotherapiemethode anerkannt.
Prinz Harry sagte nach seinen EMDR Sitzungen:
„Die Entscheidung, Hilfe in Anspruch zu nehmen, ist kein Zeichen von Schwäche. In der heutigen Welt ist es mehr denn je ein Zeichen von Stärke.“ Er hatte jahrelang mit posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu kämpfen. Der Tod seiner Mutter und den damit zusammenhängenden Triggern (Blitzlichter, Hufgetrappel, etc) hatten in dem Kind, der er damals war, schwere Probleme hervorgerufen.
Endlich die schrecklichen Erinnerungen loslassen
„Normale“ nicht belastende Erlebnisse werden vom Gehirn in verarbeiteter Form im Gedächtnis abgespeichert. Ein traumatisches Erlebnis ist für den Betroffenen so überwältigend, dass er es nicht so schnell und geordnet verarbeiten kann wie andere Erlebnisse.
Die Erinnerungen an das traumatische Geschehen werden deshalb in einer Art Rohform abgespeichert. Diese Erinnerungen bestehen vor allem aus Sinneseindrücken, Körperempfindungen und Gefühlen. Geordnete Gedanken finden sich nur wenige darin. Außerdem wurden sie nicht vom Gehirn inhaltlich und zeitlich in ein Netzwerk von anderen Erinnerungen eingeordnet.
Von bilateraler Stimulation spricht man, wenn der Patient zwei Reize gleichzeitig erlebt. Diese Stimulation ist auch mit anderen Reizen, zum Beispiel Handberührungen oder akustischen Reizen, möglich. Die US-amerikanische Psychologin Francine Shapiro hat EMDR auf Basis der schnellen Augenbewegungen zwischen 1987 und 1991 entwickelte. Später baute sie selbst andere Stimulationsweisen in die Methode ein und ergänzte sie auch um Ansätze der kognitiven Verhaltenstherapie.
Mit EMDR 40 Prozent weniger Behandlungsstunden
Diese geleiteten Augenbewegungen entsprechen genau den Augenbewegungen im REM-Schlaf, also der Phase, in der der Schlafende seine Augen ruckartig bewegt. In der REM-Schlafphase werden die Geschehnisse des Tages verarbeitet. Durch die rasche Augenbewegung werden beide Gehirnhälften intensiv stimuliert (bilaterale Stimulation). Blockierte oder nicht integrierte Erinnerungen an das Trauma werden so nachträglich verarbeitet. Damit lassen sie sich auch später noch in die Gesamterinnerungen einbetten und in die Lebenswirklichkeit einordnen.
Seit 1991 wird EMDR in der Traumatherapie in Deutschland angewendet. Viele Studien belegen ihre Wirksamkeit. 2006 hat der wissenschaftliche Beirat für Psychotherapie diese Methode als wissenschaftlich begründete Psychotherapiemethode anerkannt. Seit 2015 wird EMDR als Psychotherapiemethode von der gesetzlichen Krankenversicherung bei Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS) bezahlt.
„Vielleicht ist es die größte Freude, die wir als EMDR-Therapeuten haben, wenn unsere Patienten, nachdem sie die Aufarbeitung ihrer Erinnerungen abgeschlossen haben, uns Dinge sagen wie: „Es ist vorbei. Jetzt ist es weit weg. Es gehört der Vergangenheit an.“ Und wenn sie in den folgenden Sitzungen wiederkommen, sagen sie: „Ich erinnere mich, aber es stört mich nicht mehr.““- Esly Regina Carvalho